Biberacher Erklärung für eine menschenrechtliche und solidarische Flüchtlingspolitik

Die Erklärung richtet sich gegen die Auswüchse in der aktuellen Asyldebatte und ruft zu einer Stärkung der Zivilgesellschaft auf. Insbesondere wird dazu aufgerufen, sich aktiv in den Menschenrechtsorganisationen und Flüchtlingshelfer-Kreisen zu engagieren.

Wir bitten Euch um Eure Unterstützung: schließt Euch dem Aufruf an. Wer unterschreiben und den Aufruf unterstützen will, schreibt bitte eine kurze E-Mail (Name, Wohnort, ggf Beruf/Funktion) an biberacher-erklaerung@amnesty-ulm.de.

Sehr freuen würden wir uns, wenn Ihr den Aufruf zur Stärkung der Zivilgesellschaft wörtlich nehmt und in Eurem Freundes- und Bekanntenkreis für eine aktive Unterstützung von Menschenrechtsorganisationen und Flüchtlingshelferkreisen eintretet.

Insbesondere die Amnesty International Gruppe Biberach  würde sich über weitere ehrenamtliche Mitarbeiter/innen sehr freuen. Kontakt:

Amnesty International Ulm/Neu-Ulm, Info: www.amnesty-ulm.de/gruppen/biberach

Kontakt: gruppe.biberach@amnesty-ulm.de 

 

 

Biberacher Erklärung für eine menschenrechtliche und solidarische Flüchtlingspolitik in Deutschland und Europa

„Wir haben unser Zuhause und damit die Vertrautheit des Alltags verloren“, schrieb die deutsche Philosophin Hannah Arendt im Januar 1943 in einem Aufsatz mit dem Titel „Wir Flüchtlinge“. Und weiter: „Die Hölle ist keine religiöse Vorstellung mehr und kein Phantasiegebilde, sondern so wirklich wie Häuser, Steine und Bäume.“ Hannah Arendt war vor dem nationalsozialistischen Terror geflohen und musste nun erfahren, was es heißt, Flüchtling zu sein; was dabei alles verloren geht, was zerstört wird. Aber: Sie war gerettet, hatte Zuflucht in einem Land gefunden, dessen Grenzen sie schützten.

Heute müssen wir erleben, dass in einem Land, aus dem Hannah Arendt einst geflohen war, Menschen als „Asyl-Touristen“ diffamiert werden und Menschen, die ihnen helfen wollen, als „Anti-Abschiebe-Industrie“. Menschen, die ihre Heimat wegen Krieg, Terror, Menschenrechtsverbrechen, sozialer und/oder wirtschaftlicher Not und Ausbeutung verlassen müssen, finden an den europäischen Grenzen keinen Ort der Zuflucht mehr, sondern einen Ort der Abschreckung, des Stacheldrahts – und des Todes.

Die Abschreckung, die Ablehnung und Abwehr, die sprachliche und politische Umwandlung von Menschen in Zahlen und Statistikgrößen, die Entwicklung eines kollektiven europäischen Asylverweigerungssystems, der Aufbau von Orten des Elends und der Entrechtung, die Pakte mit diktatorischen Machthabern und autoritären Regimes, die sich freikaufen von Kritik oder Sanktionen für ihre Verbrechen, all das zeigt sich als Abgesang auf die sonst so oft beschworenen europäischen Werte: auf Menschenrechte, Menschenwürde und Rechtsstaatlichkeit. In diesem Rahmen erleben wir keine „Flüchtlingskrise“, sondern eine fundamentale Menschenrechtskrise.

Die gegenwärtigen Angriffe richten sich nicht allein gegen Menschen auf der Flucht. Sie richten sich gegen die zivile Gesellschaft und die Universalität der Menschenrechte schlechthin.

Diesen Entwicklungen setzen wir in der Region Biberach entgegen: die Idee – und die Realität – der Menschenrechte, der Menschenwürde und der Rechtsstaatlichkeit. Wir brauchen ein offenes, ein ehrliches, ein freundliches – kurz: ein menschliches Land. Wir brauchen eine gestärkte Zivilgesellschaft, um mit Toleranz und Zivilcourage dem Hass und der Gewalt in diesem Land ein Ende zu setzen, unsere Grund- und Menschenrechte zu bewahren und das Völkerrecht zu verteidigen.

Es genügt nicht mehr, auf die Erosion der Menschenrechte in unserem Land mit bloßer Betroffenheit oder Kopfschütteln zu reagieren. Wir rufen dazu auf, der Zivilgesellschaft den Rücken zu stärken, aktiv an ihr mitzuwirken und die Menschenrechtsorganisationen und Flüchtlingshelfer*innen zu unterstützen. Kein „Staatsnotstand“ bricht aus, wenn Menschen auf der Flucht sind. Aber Staatsnotstand bricht aus, wenn Menschen bei uns zum Freiwild werden. Es geht um die Fundamente unseres Zusammenlebens – in Biberach und anderswo.

 

Unterstützer*innen:

Vereine
Obst- und Gartenbauverein Bad Schussenried e.V.
Skiclub Mittelbiberach e. V.
NABU Ortsgruppe Bad Schussenried
Interkulturelles Forum für Flüchtlingsarbeit e.V.

Privatpersonen
Maren Müller, Biberach
Marianne Frey, Ummendorf
Gerd Meissner, Mittelbiberach-Reute
Edda Fenstermann-Popp, Ummendorf
Armin Müller, Bad Schussenried
Ruth Lang, Bad Schussenried
Sabine Kreißig, Mittelbiberach
Andreas Kreißig, Mittelbiberach
Bruno Staudenrausch, Biberach
Edda Fenstermann-Popp
Ronald Richter, Warthausen-Birkenhard
Manfred Wilhelm, Biberach
Jürgen Schelkle
Gigiana Gerst
Peter Grunwald, Biberach
Christiane Ehrlich, Biberach
Nadine Werz, Laupheim
Uschi Breunig-König

28. November 2018